Schon beim Welpen und Junghund gibt es einiges zu beachten:
Im Wachstum durchläuft der Hund mehrere sensible Phasen der körperlichen und geistigen Entwicklung. Eine erfolgreiche und umfassende Sozialisation muss in jenem kurzen Zeitfenster erfolgen, in dem gerade junge Tiere kurze Aufmerksamkeitsspannen bei großer Bewegungsaktivität aufweisen und bei großwüchsigen Hunden zudem die Gefahr der körperlichen Überlastung besteht. Das Hauptwachstum erfolgt innerhalb der ersten 7 Monate und die Riesenrassen wachsen in 18 Monaten etwa so viel wie ein Mensch in 18 Jahren! Das ist sehr anstrengend und nicht mit exzessiver Bewegung vereinbar. Die Gelenkentwicklung ist bei der Geburt nicht abgeschlossen, viele Gelenke wachsen nicht nur, sondern schließen im ersten halben Jahr ihre Entwicklung ab, so z. B. die Hüfte mit 4 Monaten und der Ellbogen mit 6 Monaten. Da die Ernährung des Gelenkknorpels ausschließlich durch Diffusion aus der Gelenkflüssigkeit erfolgt, kann eine zu hohe oder zu lange andauernde Belastung zu folgenden Knochen- und Knorpelschäden führen, die als typische Erkrankungen der Wachstumsphase gelten:
In der Wachstumsphase zeigen sich zusätzlich zu den aufgeführten Erkrankungen auch angeborene und erworbene Fehlstellungen.
Für das Training in der Wachstumsphase bedeuten die obigen Fakten, dass die körperliche Belastbarkeit extrem gering und deswegen eine Auslastung durch körperliche Betätigung häufig nicht möglich ist. Dies gilt auch für das Spielen mit anderen Hunden, auch wenn Junghunde für ihre gute Sozialisation möglichst vielen Umweltsituationen ausgesetzt werden müssen. Wenn es bereits zu Schäden am Bewegungsapparat gekommen ist, zeigen die Tiere zudem schmerzbedingt häufig abnormes Verhalten wie z. B. „Arbeitsverweigerung“, Unsicherheit oder Meideverhalten oder gar Anzeichen von Aggression oder Angst – alles Symptome, die hinterfragt und medizinisch abgeklärt werden sollten.
Die Besitzer müssen deshalb gerade bei großwüchsigen Rassen darauf hingewiesen werden, dass sie kurze Belastungszeiten mit langen Ruhephasen für ihren Junghund einhalten sollten, da das Wachsen an sich Stress und Arbeit genug ist! Auch ein Hinweis auf eine restriktive Fütterung mit geringer Energiedichte für Welpen und Junghunde mit hochwertigem Futter, das die Ernährung des Knorpels fördert, ist empfehlenswert. Die Schlagworte lauten hier: „großhungern“ lassen und Übergewicht vermeiden.
Für die Bewegung im Wachstum gilt folgende Faustregel: Zur ausreichenden Ernährung des Gelenkknorpels den Junghund maximal 10 Minuten am Stück laufen lassen, dann mindestens 5 Minuten Ruhepause einlegen.
Im Welpen- und Junghundtraining sollten Spielgruppen passend nach Alter und Größe zusammengestellt werden. Kurze Spielphasen mit ausreichenden Pausen sollten eingehalten und die Pausenzeit für Erklärungen des Gruppenleiters genutzt werden. Auf Frühsignale von Bewegungsstörungen wie Lahmheiten, Lethargie, evtl. Aggression, häufiges Liegen, Schmerzäußerungen (s. o.) sollte geachtet und diese ernst genommen werden. Eine gute Hundeschule schickt auffällige Hunde frühzeitig zur Diagnostik zum Tierarzt!
Die Belastungen im Hundesport sind mannigfaltig – neben den körperlichen Belastungen (durch physischen Stress, körperliche Handicaps, Schmerz) gibt es auch viele psychische Belastungen. Bei den psychischen Belastungen ist die Stressbelastung durch andere Hunde, Umweltreize, Besitzer (z. B. durch Kommunikationsprobleme, überhöhte Erwartungshaltung, Ungeduld, Unsicherheit) und die Stressbelastung als Folge von Schmerz zu nennen. Viele Hundebesitzer neigen dazu, ihre Hunde zu überfordern und gerade in der Entwicklungsphase ist es oft die wichtigste Aufgabe der Hundeschule, den Ehrgeiz der Besitzer zu bremsen und eine altersgerechte Beschäftigung zu bieten. Auch als Tiermedizinische Fachangestellte sollte man den teilweise verzweifelten Hundebesitzern eines plötzlich ungehorsamen pubertierenden Junghundes vermitteln, dass es sich hierbei nicht um einen schwer erziehbaren Zeitgenossen handelt, sondern um eine ganz natürliche Entwicklung.
Bei den körperlichen Belastungen unterscheiden wir zwischen Kreislaufbelastung und Belastungen des Bewegungsapparats wie Gelenkbelastung, Wirbelsäulenbelastung, Belastung von Muskeln, Sehnen und Bändern. Hunde tragen 55–60 % des Körpergewichts mit der Vorhand; die Vorhand stützt den Körper und die Hinterhand ist der Motor und initiiert die Vorwärtsbewegung. Bänder, Gelenke und Bandscheiben dienen der Stoßdämpfung, Sehnen und Muskeln dienen der Fortbewegung und Schnellkraft. Hunde sind ausdauernde Läufer und schnelle Sprinter, aber sie sind weder Katzen noch Bergziegen, d. h. ihr Bewegungsapparat ist nicht für Sprünge in die Tiefe oder extremes Klettern ausgerichtet.
Die verschiedenen Hunderassen haben teilweise nur noch wenig mit dem Wolf gemein und damit viel ihrer natürlichen Bewegungsfähigkeit verloren. Das Verhältnis von Knochenbau und Halteapparat zum Körpergewicht ist häufig nicht mehr ausgewogen. Veränderungen in der Winkelung oder Stellung der Gliedmaßen verändern die gesamte Biomechanik wie z. B. Kurzbeinigkeit oder eine abschüssige Kruppe. Gravierende Veränderungen des Skeletts führen zu Funktionseinschränkungen von Organen. Durch die bei kurzschnäuzigen Rassen fast regelmäßig auftretenden Keilwirbel sind Schädigungen des Rückenmarks entweder angeboren oder erworben, auch Bandscheibenschäden sind sehr häufige Erkrankungen dieser Rassen. Zudem ist ihre Atmung meist insuffizient und stark erschwert.
Alle genannten Fakten machen klar, dass die Auswahl der geeigneten Beschäftigung anhand vieler Kriterien erfolgen muss. Der Besitzerwunsch spielt dabei natürlich immer eine Rolle, aber auch individuelle genetische Voraussetzungen, gesundheitliche Eignung sowie die Neigungen des Hundes müssen berücksichtigt werden.
Es gibt für jeden Hund und jedes Alter die passende Sportart – sie muss nur sorgfältig ausgewählt und tierärztlich überwacht werden.
Auch die Beschäftigung von Hunden mit Handicaps muss unter medizinischen Gesichtspunkten betrachtet werden.
Für herzkranke Hunde empfiehlt sich eine Beschäftigung ohne Belastungsspitzen. Sprintleistungen sollten vermieden und das Training muss besonders gut an die Witterungsbedingungen angepasst werden. Der Hundebesitzer muss in die Beurteilung der Kreislaufsituation eingewiesen werden, sodass er Schleimhautfarbe, Kapillarfüllungszeit, Puls und Regenerationszeit kontrollieren kann. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die Trieblage (die eigene Motivation des Hundes, sich anzustrengen) niedrig gehalten wird, d. h. dass er nicht „angeheizt“ wird. Vorsichtiges Ausdauertraining, Nasenarbeit und geistige Auslastung sind sinnvoll für diese Patienten.
Bei Gelenkerkrankungen sollte besonders das Springen vermieden werden. Aussteighilfen für das Auto sind empfehlenswert. Man sollte mit diesen Patienten sehr harten oder sehr weichen und unebenen Untergrund sowie Treppensteigen und steiles Bergauf und Bergab gehen vermeiden. Ballspiele sind entweder ganz zu vermeiden oder der Ball sollte ins Wasser geworfen werden. Spielen mit anderen Hunden sollte höchstens eingeschränkt erfolgen. Empfehlenswert sind Geschicklichkeitsübungen mit der Schnauze, Nasenarbeit (in Nasenhöhe oder über Kopf bei Problemen mit der Vorhand und mit tiefer Nase z. B. als Fährtenarbeit bei Problemen mit der Hinterhand), Schwimmen und Wasserarbeit in Maßen und Tricks angepasst an das Krankheitsbild. Unterordnungsübungen wie Sitz und Platz fallen diesen Patienten schwer.
Bei Wirbelsäulenerkrankungen sollte man Springen und Zerrspiele vermeiden, beim Schutzdienst sollte der Hund schnell den Ärmel bekommen. Abnorme Haltungen der betroffenen Anteile der Wirbelsäule sind zu vermeiden (z. B. dauerhafter Blickkontakt in der Unterordnung oder Fährten bei Halswirbelsäulenproblemen). Ballspiele sind aufgrund der Stauchung der Wirbelsäule beim Abbremsen ungünstig und sollten höchstens ins Wasser hinein erfolgen.
Schwimmen ist bei Erkrankungen der Hals- und vorderen Brustwirbelsäule aufgrund der Rückwölbung des Kopfes nicht sinnvoll. Laufen auf dem Unterwasserlaufband oder im Flachwasser ist dagegen zum Muskelaufbau und zur Auslastung eine sinnvolle Alternative.
Geeignet sind generell Unterordnung, Ausdauersport auf federndem aber ebenem Untergrund (Waldboden, Wiesenwege), Dummyarbeit und Longieren sowie bei Erkrankungen der hinteren Wirbelsäule Schwimmen, Wasserarbeit und Fährtenarbeit.
Bei Hunden mit neurologischen Defiziten ist es sinnvoll, unter Anleitung von Tierphysiotherapeuten Bewegungsprogramme mit gezielten Übungen zu erarbeiten. Hier ist es auch wichtig, wechselnde Untergründe ins Training zu integrieren, da dadurch die taktilen Reize geübt und die Koordination verbessert werden können. Auch Cavaletti-Arbeit oder Slalom gehen sind sinnvoll und zudem bietet das Unterwasserlaufband viele Trainingsmöglichkeiten. Da verschiedene neurologische Erkrankungen unterschiedliche Therapien erfordern, sollte hier aber immer der Physiotherapeut befragt werden. Es ist auch besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass das Training für diese Patienten besonders anstrengend ist.
Ein besonderes Kapitel sind die geriatrischen Patienten. Es kommt zum Nachlassen der Sinnesleistungen (Sehvermögen, Hörvermögen, Geruchssinn) und zum Nachlassen von Muskelkraft und Ausdauer. Knorpel und Knochen werden spröder, evtl. liegen Organfunktionsstörungen wie Herz- oder Niereninsuffizienz vor. Da der Geruchssinn meist zuletzt nachlässt, kann Nasenarbeit lange ausgeführt werden. Bei Schwerhörigkeit kann ein Handzeichentraining sinnvoll sein. Man sollte die körperliche Belastung insgesamt reduzieren und an den Gesundheitszustand des Hundes anpassen. Hunde, die in jüngeren Jahren verrückt nach Spielzeug waren, wollen evtl. im Alter eher mit Futter bestätigt werden oder sind mit weniger wilden Spielaktionen glücklich. Hier kann der Besitzer den Hund häufig mit kürzeren, aber geistig anspruchsvolleren Aufgaben gut auslasten.
Auszug aus dem Beitrag Hundetraining aus tiermedizinischer Sicht - Passende Bewegung für gesunde Tiere und Tiere mit Handcap von Tierärztin Anette Quandt