Alle Jahre wieder kommt nicht nur der Weihnachtsmann, sondern eine Woche danach leider auch der schlimmste Tag im Leben vieler Hunde - Silvester mit der großen Knallerei. Vielen Menschen kann es gar nicht laut und grell genug werden, ganz egal wie teuer der "Spaß" auch ist.
Mit Einzug unser ersten Hündin Bella und kurz darauf von Chico haben wir uns Böller, Raketen und Co. abgewöhnt. Dabei hatten Bella und Chico mit der Knallerei keinerlei Probleme. Nur wir waren irgendwie sensibler geworden.
Je näher das Jahresende rückt, umso häufiger werden wir nach Tipps gefragt, wie man dem geliebten Vierbeiner die Tage rund um Silvester erleichtern kann. Viele Hundehalter wissen, dass wir mit Lucky und Tara zwei Hunde haben, die Silvester fürchterlich finden. Folgende Tipps haben wir selbst und unsere Kunden in den letzten Jahren erfolgreich angewandt:
Die einfachste Lösung: Verreisen Sie mit Ihrem Hund einfach für ein paar Tage. Buchen Sie eine einsame Hütte irgendwo im stillen Nirgendwo. Das müssen Sie allerdings rechtzeitig tun, denn einsame Hütten gibt es bei weitem nicht so viele wie genervte Hundehalter, die diese zur Jahreswende händeringend suchen. Fahren Sie schon ein paar Tage vor Silvester ab und bleiben Sie auch etwas länger, denn wie wir alle wissen, beginnt die Knallerei in Berlin schon Tage vor dem ganz großen Spektakel und zieht sich meist noch bis zum zweiten oder dritten Januar hin.
Haben Sie noch Zeit bis Silvester bietet sich der Besuch unseres Praxis-Seminars "Angst bei Feuerwerk" an. Dort lernen Sie Angstverhalten beim Hund besser zu vestehen und üben gemeinsam mit Ihrem Vierbeiner im Praxisteil mit echtem Feuerwerk die stressigen Situationen rund um Silvester besser zu bewältigen. Wenn Sie danach mit Übungs-CD und -DVD regelmäßig trainieren, haben Sie gute Chancen Silvester diesmal entspannter zu erleben.
Wenn diese Lösungen nicht machbar sind, vermitteln Sie Ihrem Hund Ruhe. Zeigen Sie ihm durch Vorbildfunktion, dass Ihnen die ganze Rummserei nix ausmacht. Durch Stimmungsübertragung beeinflussen wir unsere Hunde ganz enorm. Je gelassener Sie also sind, desto eher kann sich Ihr Hund etwas beruhigen. Erwarten Sie jedoch bitte nicht, dass Ihr Hund keine Angst mehr hat, nur weil Sie keine haben. Ganz so einfach funktioniert es leider nicht.
Ganz wichtig: Haben Sie Zeit für Ihren Hund, stehen Sie ihm durch Anwesenheit zur Verfügung und ermöglichen Sie ihm das Kontaktliegen, wenn er es wünscht. Hierbei müssen Sie allerdings aufpassen, damit es nicht zu einer so genannten unbewussten Bestätigung kommt. Keinesfalls sollten Sie Ihren Hund auf den Arm nehmen, herumtragen oder auf den Schoß setzen, während Sie ihn streicheln und in endlosen Litaneien bedauern, denn dieses Verhalten würde die Angst Ihres Hundes nur verstärken. Jedoch sollten Sie andererseits auch keinesfalls – wie von manchen Trainern empfohlen – Ihren Hund ignorieren, falls er Angst hat. Dieser Tipp, der die oben genannte „unbewusste Bestätigung“ verhindern soll, ist weit über das Ziel hinaus geschossen, denn was vermitteln Sie Ihrem Hund, wenn Sie seine Angst ignorieren? Dass Ihnen seine Angst völlig egal ist und er sich an jemand anderen wenden muss, wenn er Unterstützung und Sicherheit möchte. Dies ist natürlich für die Mensch-Hund-Beziehung das reinste Gift.
Wann immer es knallt - das passiert in Marzahn leider auch außerhalb von Silvester bei Fußballspielen, Geburtstagen, Halloween, ... - legen sich Lucky und Tara ganz dicht an bzw. auf unsere Füße. Rumst es auf einer Gassirunde, suchen die Zwei unsere Nähe. Durch diesen engen Körperkontakt "tanken" sie unsere Ruhe. Fängt einer an zu hecheln oder zu zittern, "umarmen" wir sie, d. h. wir umfassen die Hunde und halten sie einfach im Arm oder legen eine Hand auf ihren Körper, damit sie uns noch besser spüren. Nur fest halten - die beiden finden das sehr angenehm - streicheln ist tabu. Zusätzlich hören wir an Silvester Musik, entweder Konzerte aus dem TV (z. B. auf 3SAT) oder von DVD. Endlich dürfen wir mal etwas lauter aufdrehen, ohne das es die Nachbarn stört. ;-) Natürlich darf man unsere Musik nicht im ganzen Haus hören, das wäre für die Hundeohren und auch die unsrigen dann doch viel zu laut. Wenn wir anfangen zu tanzen, albern wir ganz bewusst herum und sprechen dabei gezielt die Hunde an. Wir fordern sie auf mit rumzualbern. Sieht ja keiner. ;-) Durch diese Geräuschkulisse klingen die Böller nur noch gedämpft durch. Die Lichteffekte bleiben dank heruntergelassener Jalousien draußen.
Mitunter hört man den Tipp, mit dem Hund an Silvester in den Keller zu gehen, im Idealfall in einen Keller ohne Fenster. Dies ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn Sie es im Laufe des Jahres auch öfter tun. Sonst kann es schnell passieren, dass Ihr Hund bereits das Heruntergehen in den Keller fürchtet, weil es für ihn in direktem gedanklichen Zusammenhang mit der Knallerei steht. Sollten Sie aber eine Art eingerichteten Hobbyraum haben, welchen Sie regelmäßig nutzen, kann es tatsächlich hilfreich sein, Silvester dort zu verbringen, so bis ca. 2:00 oder 3:00 Uhr nachts der schlimmste Lärm vorbei ist.
Am Silvestertag und manchmal auch schon an den Tagen zuvor, fahren wir mit den Hunden zum Gassi gehen ein Stück raus "ins Grüne", wo es nur wenig "Knallverrückte" gibt. Durch die langen Spaziergänge in ungewohnten Gebieten, wo sie jede Menge Neues erschnuffeln und viel laufen können, sind sie herrlich müde und somit entspannter. Wenn Sie einen Garten haben, können Sie das Rausgehen auch auf diesen beschränken.
Sollten Sie einen Hund haben, der in Panikattacken verfällt oder zur Flucht neigt, sobald er es – selbst in größerer Entfernung – knallen hört, dann führen Sie ihn an den Tagen rund um Sylvester mit doppelter Leinensicherung - eine Leinenseite am relativ engen Halsband und die andere Seite am gut sitzenden Geschirr - oder verwenden Sie für Ihren Liebling ein Panikgeschirr.
Doch auch entspannte Hunde sollten an und um Silvester vorsichtshalber immer an der (Schlepp-)Leine geführt werden. Selbst wenn Ihr Hund normalerweise an Silvester keine Probleme hat - ein überraschender Rums kann immer ein Angstauslöser sein.
Von der häufig empfohlenen Gabe von Beruhigungsmitteln raten wir dringend ab. Zunächst einmal ist wichtig zu wissen, dass jedes Psychopharmaka eine so genannte Umschlagwirkung zeigen kann. Dies bedeutet, dass der Hund nicht beruhigt, sondern ganz im Gegenteil, erst richtig hoch gefahren wird. Der Kreislauf wird aktiviert, der Puls rast wie verrückt, der Hund kommt nicht mehr zur Ruhe und der so gestresste Organismus nimmt die Außenreize durch die Adrenalinausschüttung noch stärker wahr. Andere Psychopharmaka wie Acepromazin (Handelsnamen Vetranquil, Sedalin, Calmivet und Prequillan) entspannen die Muskeln stark, beeinflussen das Bewusstsein aber kaum. Dadurch bekommt der Hund alles um sich herum mit, ist jedoch unfähig sich zu bewegen. Gefangen im eigenen Körper können die Hunde weder hecheln, noch herumlaufen oder unsere Nähe suchen. Die Folgen sind fatal, denn viele Hunde erleiden dadurch ein Trauma, von welchem sie sich Zeit ihres Lebens nicht mehr richtig erholen. Achtung: Manche Tierärzte empfehlen diesen Wirkstoff noch immer.
Sehr hilfreich können Bachblüten sein. Jedoch nur, wenn ihr Hund seine eigene individuell auf ihn angepasste Mischung erhält. Die im Handel erhältlichen, fertigen Mischungen können wir nicht empfehlen, da sie der eigentlichen Lehre Bach`s und seinem Verständnis über die Wirkung der Blütenmittel nicht entsprechen. Eine Umschlagwirkung ist hier nicht bekannt. Bachblüten benötigen allerdings einige Zeit bis sie ihre volle Wirkung beim Hund entfalten. Deshalb sollte man mindestens drei bis vier Wochen vor Silvester mit der Gabe der Bachblütenmischung beginnen.
Einigen Hunden helfen auch Pheromone sehr gut. Pheromone sind Duftstoffe, die eine Mutterhündin während der Laktationsphase zwischen der Milchleiste absondert und die beruhigend auf die Welpen wirken. Man fand heraus, dass diese Wirkung auch noch bei erwachsenen Hunden eintritt und schließlich gelang es, diese Pheromone zu synthetisieren. Empfehlenswert sind die Pheromone (z. B. Adaptil) als Spray für den Liegeplatz oder auf einem Halstuch für den Hund (lieber sparsam dosieren). Achtung nicht alle Hunde mögen diesen Geruch und nicht auf alle wirkt er beruhigend. Beobachten Sie Ihren Hund, ob er sich freiwillig in die Nähe des Duftes begibt und tatsächlich ruhiger wird oder ob ihm dieser Geruch völlig egal zu sein scheint oder er sogar den Raum verlassen möchte. Auch hier ist es sinnvoll, nicht erst am Silvesterabend auszuprobieren, welche Reaktionen Ihr Hund zeigt. Fangen Sie ruhig schon ein bis zwei Wochen vorher damit an.
Sehr gern empfehlen wir auch die Gabe von Zylkene. Zylkene enthält Alpha-Casozepin, welches natürlicherweise im Darm von Neugeborenen entsteht, wenn sie Muttermilch verdauen. Alpha-Casozepin wirkt entspannend und steigert das Wohlbefinden, indem es die Wirkung des beruhigenden Neurotransmitters GABA (Gamma-Aminobuttersäure) im Gehirn verstärkt. Damit wirkt es auf ähnliche Weise beruhigend, angstlösend und krampflösend wie Tranquilizer (Benzodiazepine), deren bekanntester Vertreter das Diazepam (Handelsname z. B. Valium) ist. Alpha-Casozepin hat jedoch nicht deren Nebenwirkungen (wie Schläfrigkeit oder Aggressionen) und ist nicht suchtauslösend. Wie bei den Bachblüten benötigt Zylkene einige Zeit, bis es seine volle Wirksamkeit beim Hund entfaltet. Deshalb sollte man mindestens drei bis vier Wochen vor Silvester mit der Gabe von Zylkene beginnen. In unserer langjährigen Arbeit mit ängstlichen Hunden haben wir festgestellt, dass die gemeinsame Gabe einer individuellen Bachblütenmischung und Zylkene eine überragende positive Wirkung erzielt.
Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Mutt Muffs. Das sind Ohrschützer für den Hund zur Geräuschabschirmung. Allerdings ist der Preis möglicherweise etwas abschreckend. Natürlich gilt auch hier, unbedingt vor Silvester testen, was der Hund davon hält. Sonst erhöht sich möglicherweise sein Stresspegel durch die ungewohnten Dinger auf den Ohren noch mehr.
Sollten Sie einen Hund haben, der an Silvester unter panischen, nicht kontrollierbaren Angstzuständen leidet, völlig erstarrt, nur noch zittert oder der auch durch ein offenes Fenster im dritten Stock springen würde, nur um der Situation zu entgehen, dann empfiehlt sich als Notlösung - denn für eine gezielte Therapie gegen die Angst ist es jetzt kurz vor Silvester zu spät - die zeitlich begrenzte Anwendung von Benzodiazepinen wie Alprazolam. Benzodiazepine sind im Gegensatz zum oben erwähnten Acepromazin tatsächlich anxiolytisch, also angstlösend, und werden vom Hund als entsprechend wohltuend und stressmindernd wahrgenommen. Im Gegensatz zu Acepromazin kommt es bei Benzodiazepinen normalerweise nicht zu bedrohlichen Kreislaufzusammenbrüchen. Das zweifellos vorhandene Suchtpotential der Benzodiazepine spielt bei einer so kurzen Anwendungsdauer nur eine geringe Rolle.
Neu auf dem Markt ist ein eigens für Hunde mit (extremer) Silvesterangst zugelassenes Präparat namens Sileo-Gel mit dem Wirkstoff Dexmedetomidin. Sileo darf jedoch laut Zulassung nur fünfmal im Mindestabstand von zwei Stunden eingegeben werden.
Zum Schluss noch eine Alternative zur Beruhigung sehr ängstlicher Hunde - Alkohol. Alkohol, von Hunden speziell in Form von Eierlikör sehr gern aufgenommen, ist natürlich - wie wir fast alle wissen - in der richtigen Dosierung ein recht kräftiges Beruhigungsmittel mit angstlösender Wirkung. Tara war an ihrem ersten Silvester bei uns in Berlin so panisch, dass sie zitternd und hechelnd unter unser Bett flüchtete. Allein schaffte sie es nicht mehr hervor, dafür war es viel zu eng. Das war natürlich kein Zustand. Also bauten wir mitten in der Nacht das Bett auseinander, befreiten Tara und gaben ihr ca. 1,5 Esslöffel Eierlikör. Tara wiegt ca. 20 kg. Als Süßmaul schmeckte Tara der Eierlikör sehr gut - sie hätte gern mehr gehabt - und half ihr an unserer Seite zu entspannen. Von ähnlichen Erfahrungen haben uns auch schon einige Kunden berichtet. Mancher fragt vielleicht: Alkohl? Der ist doch für Hunde giftig?! Jedoch die Dosis macht das Gift. So bestätigt Tierarzt Dr. Ralph Rückert: „Hunde fallen von einer begrenzten Menge Alkohol keineswegs tot um, sondern werden - wie wir Menschen - einfach etwas angesäuselt, was in diesem Fall genau der gewünschte Effekt ist. Und Hunde werden auch nicht, wenn sie einmal im Jahr eine minimale Menge Alkohol bekommen, zu Alkoholikern.“
Für viele Menschen ist übrigens unklar, warum Hunde gerade vor Sylvester so große Angst haben. Manchmal sogar solche, die beispielsweise keinerlei Probleme mit Schüssen oder Gewitter haben. Der Grund liegt wahrscheinlich darin, dass durch die Knallerei gleich mehrere Sinne deutlich überstrapaziert werden: Der Gehörsinn durch den Lärm, der Gesichtssinn (die Augen) durch die ungewohnten und in großer Anzahl auftretenden Lichtreflexe und der Geruchssinn durch den Gestank, den die Böller verursachen und der ebenfalls für den Hund ungewohnt ist.
Abschließend wünschen wir Ihnen und Ihrem Hund (oder Ihren Hunden) eine möglichst entspannte Silvesternacht. Wir hoffen, dass die hier aufgeführten Tipps helfen, mit möglichst viel Ruhe ins neue Jahr zu kommen.
Holger und Kathrin Kaiser
Hundeschule Kaiser Berlin